Georg Müller BSIN03593521 München, 1975, Deutsch, HC mit SU, 334 S., Format 21 x 13 cm

Torberg, Friedrich - Die Tante Jolesch (oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten)

Ein Buch der Wehmut - aber einer Wehmut, die lächeln kann. Ein Erinnerungsbuch - aber keine Autobiographie (obwohl allerlei Autobiographisches mit einfließt). Gestützt auf eigenes Erleben und, wo es nottut, auf die Erzählungen älterer Freunde, beschwört Friedrich Torberg einen versunkenen habsburgischen Kulturkreis mit seinem jüdischen Bürgertum und seiner Boheme, deren geistvollen Nachdenklichkeit, treffsicheren Humor und sprachlichen Eigenart. All diese untergegangenen Facetten des Abendlandes hatten einen Lebensstil geschaffen, mit dem es nach Torbergs wohlfundierter und reichlich belegter Meinung nicht 1918, sondern erst 1938 zu Ende gegangen ist und dessen letzte Zuckungen noch bis in die Emigration hinein spürbar waren.
Torberg, gebürtiger Wiener und gelernter Osterreicher , während seiner Prager Studienzeit von Max Brod entdeckt und als Jüngster in den legendären »Prager Dichterkreis« aufgenommen, hat sich als engagierter Romancier einen ebenso anerkannten Namen gemacht wie als streitbarer Publizist und als scharfsichtiger Theaterkritiker.
Hier, ohne alle Polemik, aber mit allem Witz, der seine Polemiken auszeichnet, schildert er die Käuze und Originale, die seinen Lebensweg gekreuzt haben, und weiß in manchmal urkomischen, manchmal ergreifenden Episoden die Kulissen und die gesellschaftlichen Hintergründe ihrer Existenz auszuleuchten: die von Literaten und Journalisten bevölkerten Kaffeehäuser, die Redaktionen und Theater, die Sommerfrischen und Familientische. Da gibt es Geschichten von Köchinnen und Kartenspielern, da gibt es die tiefen Lebensweisheiten der Tante Jolesch und die zündenden Bonmots des Wiener Rechtsanwalts Hugo Sperber, den rechthaberischen Onkel Hahn und den gedankenflüchtigen Religionslehrer Grün, das »Requiem für einen Oberkellner- und die Anekdoten um seine berühmten Stammgäste: Egon Erwin Kisch und Anton Kuh, Karl Tschuppik und Egon FriedelI, Alfred Polgar und Franz Molnar und viele, viele andere. Mit sicherer Hand und meisterlicher Pointierungskunst entwirft Torberg das Portrait einer liebenswerten Welt und läßt zugleich einen Abschnitt Kulturgeschichte in neuem Licht und letztem Glanz erstehen.

Zusammenfassung:
»Ein Buch der Wehmut« nennt Friedrich Torberg sein Werk; nämlich der Wehmut darüber, daß es die Käuze und Originale nicht mehr gibt, die der k. u. k. Monarchie jene heiteren, tiefsinnig-versponnenen Wesenszüge verliehen haben, die heute noch denkwürdig sind. Darum hat er Sentenzen Namhafter und Namenloser sowie Anekdoten der Erinnerung einzelner entrissen und überliefert - der lesenden Nachwelt zum Vergnügen.
Price: 8,90 EUR