Gramola BSIN02647289

Moser, Barbara - Devotion

Composer: PDQ Bach, Ludwig Van Beethoven, Franz Liszt, Robert Schumann

Barbara Moser – Devotion
Gedanken zum Programm
Robert Schumann schrieb seine C-Dur-Fantasie voll Begeisterung für das in den späten 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in Bonn geplante Beethoven-Denkmal. Tatsächlich fand das Ereignis wegen Finanzierungsproblemen erst zehn Jahre später statt, obwohl sich viele berühmte Persönlichkeiten des damaligen Kulturlebens wie etwa Franz Liszt unter anderem auch mit finanziellen Zuwendungen für die baldige Errichtung eingesetzt hatten. Schumanns groß angelegter dreiteiliger Fantasie ist nicht nur eine Beethoven-ähnliche Spiritualität zu eigen, Schumann zitiert sogar aus Beethovens Zyklus „An die ferne Geliebte“! Der Autor widmete dann sein großes Werk dem von ihm hochgeschätzten Kollegen Franz Liszt.

Aus diesem Zusammenhang heraus erklärt sich das Triumvirat Beethoven – Schumann – Liszt des vorgestellten Rezital-Programms.

Die zweite Gemeinsamkeit der Werke untereinander liegt in ihrer engen Verbundenheit zur Poesie. Während Beethoven die Musikwissenschaft bis heute mit seinem Ausspruch „Lesen Sie Shakespeares Sturm“ verwirrt, stellt Schumann seiner Fantasie unverhohlen ein eindringliches Schlegel-Zitat voran und läßt sich von Eichendorff und Rückert zu seinen schönsten Liedern inspirieren. Liszts Eindrücke bei der Lektüre von Dantes „Inferno“ der „Göttlichen Komödie“ hat der geniale Tonschöpfer in einer sonatenhaft anmutenden Fantasie verarbeitet, deren Struktur aber nicht mehr wie bei Schumann aus drei getrennten Teilen besteht, sondern aus ineinander verwobenen. Der Untertitel „fantasia quasi sonata“ erinnert nicht zufällig an den quasi umgekehrten von Beethovens Mondscheinsonate: auch Liszt war ein glühender Anhänger Beethovens und sogar in „zweiter Generation“ dessen Schüler gewesen (Liszts Wiener Lehrer Carl Czerny war Beethovens bekanntester Schüler neben Ferdinand Ries).

Franz Liszt (1811-1886) verfaßte einige Bearbeitungen von Liedern Robert Schumanns für Klavier solo, deren erste bereits 1848 erschien, die „ Widmung “ aus Schumanns 1840 komponiertem Zyklus „Myrthen“ op. 25. Schumann widmete den Zyklus Clara Wieck („Meiner geliebten Braut“) und schenkte ihr am Hochzeitstag eine besonders prachtvolle Ausgabe. Liszt bearbeitete 1861 und 1872 weitere zehn Lieder Schumanns, darunter dessen „ Frühlingsnacht “ aus dem „Liederkreis nach Eichendorff“ op. 39.
Das Deutsche Lied war außerhalb des sprachkundigen Raumes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gänzlich unbekannt, der heute so etablierte ‘Liederabend' inexistent. Die berühmten Sänger der Oper machten einen großen Bogen um diese intimere Gattung der Vokalkunst, so war es wohl die einzige Chance, als ‘Starthilfe' die Liedtranskription zu kreieren. Liszt konzentrierte sich dabei hauptsächlich auf die Popularisierung des Schubertschen Liedgutes, seine Schumann-Bearbeitungen fallen in spätere Lebensphasen, profitierten also eher indirekt durch das allgemein geweckte Interesse am deutschen Lied.

Schumanns Fantasie C-Dur op. 17 entstand zu einer Zeit der unfreiwilligen Trennung von seiner zukünftigen Frau Clara Wieck, deren Vater sich lange Zeit gegen die Beziehung der beiden sträubte. Das Werk zeugt von der Sehnsucht nach und der Liebe für Clara, wie Schumann auch in einem späteren Brief an sie (März 1838) schreibt: „Ich habe eine Phantasie in drei Sätzen vollendet, die ich im Juni 36 bis auf das Detail entworfen hatte. Der erste Satz davon ist wohl mein Passioniertestes, was ich je gemacht – eine tiefe Klage um Dich – die anderen sind schwächer, brauchen sich aber nicht gerade zu schämen.“ Der Beginn des Hauptthemas im ersten Satz mit den fünf absteigenden Tönen ist Synonym für den Namen Claras und findet sich oft in den Werken Schumanns. In den „Davidsbündler Tänzen“ ist es sogar als „Motto von CW“ überschrieben. Am 19. Dezember 1836 wendet sich Schumann an den Verleger Kirstner, von dem er sich eine Veröffentlichung der Fantasie erwartet und daraus resultierend, Einnahmen zugunsten des in Bonn geplanten Beethoven-Denkmals: „...Florestan und Eusebius wünschen gern etwas für Beethovens Monument zu thun und haben zu diesem Zweck etwas unter folgendem Titel geschrieben:

Ruinen. Trophaeen. Palmen.
Große Sonate für das Pianoforte
Für Beethovens Denkmal“.

Bei den von Schumann erwähnten Florestan und Eusebius handelt es sich um mythologische Gestalten, die er den literarischen Werken des von ihm hochgeschätzten Jean Paul (1763-1825) entlehnt hat. Die beiden stellen die kontrastierenden Charakterzüge in Schumanns Persönlichkeit dar. Der Leidenschaftliche wird dem Träumer gegenübergestellt, der Schüchterne dem Extrovertierten.

Das am Ende des ersten Satzes zitierte Fragment aus Beethovens Liederzyklus „An die ferne Geliebte“ war unsprünglich in kaum veränderter Gestalt auch als Schluß des dritten Satzes geplant und wurde von Schumann vor Drucklegung durch einen weniger prägnanten Schluß ersetzt. In der vorliegenden Aufnahme ist die im Manuskript nachlesbare erste Variante zu hören.

Auch die Ideen zum Titel der Fantasie änderte Schumann (sogar mehrmals) vor Drucklegung durch Breitkopf und Härtel 1839 (Kirstner hatte das Werk nicht angenommen) und schließlich wurde das Stück, Franz Liszt zugeeignet und mit einem Vers von Friedrich Schlegel überschrieben, veröffentlicht.

Durch alle Töne tönet
Im bunten Erdentraum
Ein leiser Ton gezogen
Für den, der heimlich lauschet.
(Friedrich Schlegel)

Schumann und Liszt hatten einander schon über Jahre hinweg bewundernde Briefe und Publikationen in der Presse geschrieben (Liszts Besprechungen in der „Gazette musicale“ vom 12. November 1837 über Schumanns op. 5, 11 und 14 legte Schumann sogar bei seinem Prozeß gegen Friedrich Wieck, den Vater Claras, bei Gericht vor, um seinen eigenen Stellenwert als Komponist zu untermauern und die Bewilligung, Clara zu heiraten, zu erhalten), bevor sie einander zum ersten Mal im März 1840 in Dresden begegneten. Clara hatte Liszt bereits 1838 in Wien getroffen, als beide auf Konzerttournee waren. Schumann am 20. März 1840 an Clara: „Heute früh hätte ich Dich zu Liszt gewünscht. Er ist doch gar zu außerordentlich. Er spielte von den Noveletten, aus der Phantasie, der Sonate, daß es mich ganz ergriff. Vieles anders als ich's mir gedacht, aber immer genial, und mit einer Zartheit und Kühnheit im Gefühl, wie er sie wohl auch nicht alle Tage hat.“

Liszt über das richtige Schumann-Spiel: „Schumann muß in allen Einzelheiten gut phrasiert werde. Man muß ihn fest und bündig spielen und rhythmisch gut artikulieren. Bei ihm sollten die Ritenutos ebenso wirksam sein wie bei Mendelssohn die Accelerandos und Animatos.“ Die C-Dur-Fantasie gehörte zu Liszts Lieblingswerken aus Schumanns Schaffen und es ist überliefert, daß er die berühmt berüchtigte Sprungstelle am Ende des zweiten Satzes, ohne auf die Tasten zu schauen und sich nebenher unterhaltend, fehlerlos gespielt haben soll! Für die Widmung revanchierte sich Liszt 15 Jahre später mit der Dedikation seiner h-moll-Sonate an Schumann. Dieser hat das Werk leider nicht mehr gehört, da er bei Eintreffen des von Liszt gesandten Exemplars bereits in die Nervenheilanstalt Endenich eingewiesen war, in der er zwei Jahre später starb.

„Lesen Sie Shakespeares Sturm!“ soll Beethoven zu Anton Schindler, seinem damaligen Adlatus, auf dessen Bitte um einen „Schlüssel“ zur 1801/02 komponierten Sonate op. 31/2 gesagt haben. Seither wird gerätselt, wie der Meister das gemeint haben kann. Wollte er auf ein geheimes Programm hindeuten oder nur die allgemeine Inspirationsquelle zu dieser Sonate preisgeben? Vielleicht hatte ja die Antwort gar nichts mit der Frage zu tun und das Ganze war ein Mißverständnis?

Sollte ersteres zutreffen, welche Szenen aus dem Sturm wären den Sonatensätzen zuzuordnen? – Beethovens knappe Äußerung hat in jedem Falle viel mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Franz Liszt beispielsweise bedauerte Beethovens Verschwiegenheit in einem Brief an Georges Sand (1837), Robert Schumann beteiligte sich an der „Programmsuche“ für die 7. Symphonie (1835) und so hielt sich der Gedanke, einen Inhalt zur Musik Beethovens finden zu müssen, bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der zu seiner Zeit hochangesehene und heute oft belächelte Musikwissenschaftler Arnold Schering (1877-1941) gab mehrere Bücher mit – wie er meinte – erfolgreicher Entschlüsselung Beethovenscher Werke heraus. Für die d-Moll-Sonate nennt er folgendes Programm mit Szenen aus Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“:

1. Satz: 1. Akt, 2. Szene. Fernando hört die Lockrufe des unsichtbaren Ariel und lauscht in Ergriffenheit dessen Ballade vom ertrunkenen Vater.
2. Satz: 3. Akt, 1. Szene. Liebesduett zwischen Fernando und Miranda
3. Satz: Charakterbild des Luftgeistes Ariel nach dessen Lied im 5. Akt, 1. Szene.

Ob Schering recht hat, halte ich persönlich für irrelevant und bin der festen Überzeugung, daß es immer von Vorteil ist, die Fantasie in die Interpretation mit einzubeziehen und das Märchen von der „absoluten Musik“ als ein solches anzusehen.

Liszt s erste Skizzen zur Dante-Sonate „Après une lecture de Dante“ stammen aus dem Jahr 1837, bereits am 5. Dezember 1839 dürfte er Teile einer ersten Fassung unter dem Titel „Fragmente nach Dante“ dem Wiener Publikum vorgeführt haben. Liszt vollendete das Werk 1840, um es, wie bei ihm so oft der Fall, 1849 zu überarbeiten. 1858 veröffentlichte er dann die endgültige Version gemeinsam mit weiteren, Italien-inspirierten Werken als „Années de Pèlerinage II“ (Teil I war der Schweiz gewidmet). Im Titel weist Liszt auf die zwei wichtigen Komponenten des Werkes hin. Er bezeichnet die Struktur des Stücks als ‘Fantasia quasi sonata', also im weiteren Sinne eine Fantasie in Form eines Sonatenhauptsatzes, und gibt Interpret und Hörer den Hinweis, daß es sich hier um Programmusik handelt, nämlich um Episoden aus Dantes „Divina Comedia“. Es ist die plastische Schilderung des Infernos und stellt die Qual und die Klagen der Verdammten der Liebesepisode der Francesca da Rimini gegenüber.

Der amerikanische Komponist Peter Schickele (*1935) studierte an der Juilliard School in New York und gewann für die Werke seines alter ego P.D.Q. Bach nicht weniger als vier Grammy-Awards. Sein satirischer Lebenslauf läßt ihn als Professor für „musicolology“ (sic) und „musical pathology“ an der Universität von „Southern North Dakota at Hoople“ lehren, die Werke des „oddest of Johann Sebastian Bach's twenty-odd sons“, P.D.Q. Bach (1807-1742?), will er in Bayern in den 50-er Jahren gefunden haben. Aus dessen Zyklus „The Short Tempered Clavier“ habe ich für diesen Bonus-Track Präludium und Fuge in c-moll ausgewählt, da die Fuge so schön aus Themenzitaten der 5. Symphonie von Beethoven gebaut ist – ebenfalls eine Möglichkeit, Beethoven die Ehre zu erweisen, wenn auch mit viel mehr Augenzwinkern, als das der ernsthafte Robert Schumann getan hat.
(Barbara Moser) Released 2007.
Price: 16,90 EUR