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Ziemer, Ute / Moser, Barbara - Lieder

Composer: W. A. Mozart, Franz Schubert

Ute Ziemer – Barbara Moser – Lieder (Mozart, Schubert)
Franz Schubert wurde am 31. Januar 1797 als Sohn eines Volksschullehrers geboren und erhielt von diesem auch seinen ersten Musikunterricht. 1808 wurde er als Chorknabe Mitglied der Wiener Hofkapelle. Dort setzte er seine musikalischen Studien unter anderem bei Antonio Salieri fort.

Seine ersten Lieder, unter ihnen „Hagars Klage“ und „Der Vatermörder“, schrieb er bereits im Alter von 14 Jahren. Nur drei Jahre später, im Jahre 1814, komponierte er seine erste Oper „Des Teufels Lustschloß“, seine erste Messe und 17 Lieder, darunter frühe Meisterwerke wie „Der Taucher“ und „Gretchen am Spinnrade“ nach einem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe, das auf dieser CD zu hören ist.

Überhaupt Goethe: Schubert war von der Intensität seiner Gedichte tief beeindruckt, so wundert es nicht, daß Franz Schubert zeit seines Lebens über achtzig Lieder nach Texten von Goethe komponierte.

Schubert veränderte die Vorstellung bzw. die Anforderungen an das „Kunst“-Lied in hohem Maße. Das bisher vorherrschende Strophenlied wird von ihm zum variierten Strophenlied erweitert. Die noch dem Volkslied verpflichtete Liedform „Strophenlied“ wurde damit kunstvoll ausgereizt, aber ebenso finden sich gänzlich durchkomponierte Lieder in seinem Schaffen, die noch weit über die Grenzen des bis dahin Gekannten hinausweisen. Das begleitende Klavier emanzipiert sich vollständig vom Gesangspart und wird damit zum gleichberechtigten Partner für die „Erzählung“ des Liedes.

Für Schuberts Lieder ist typisch, daß er meist ein charakteristisches melodisches Motiv im Klavierpart repetiert, ein Ostinato, das mitunter eine eindringliche, hypnotische Wirkung entfalten kann. In höchster Steigerung ist dies bei „Gretchen am Spinnrade“ zu hören. Das gleichmäßige Drehen des Spinnrades erfährt dadurch in der Klavierstimme seine kongeniale Darstellung. Schuberts große Liederzyklen „Die schöne Müllerin“ von 1823 und „Winterreise“ aus dem Jahre 1827 nach Texten von Wilhelm Müller und der posthum erschienene „Schwanengesang“ zählen zu den Höhepunkten der Liedliteratur und sind Prüfsteine für jeden männlichen Interpreten. Aber auch große Sängerinnen wie Christa Ludwig, Brigitte Fassbaender oder Christine Schäfer haben die „Winterreise“ bereits aufgeführt und damit bewiesen, daß Schuberts Liederzyklen nicht zwangsläufig einem männlichen Interpreten zugeordnet werden müssen.

Schuberts Lieder wurden schließlich so bekannt, daß man das deutsche Wort „Lied“ in andere Sprachen übernommen hat (französisch: „Le lied“, englisch: „The lied“). Damit wird spezifisch das Kunstlied bezeichnet, das durch Schubert eine enorme Aufwertung erfuhr.

Obwohl Schuberts Werk in zeitlicher Nähe zu den Meistern der Klassik Mozart und Haydn steht, ist mit Franz Schuberts Werk der Durchbruch zum Kunstverständnis der Romantik erfolgt. Der Komponist bewies damit einen ausgezeichneten Instinkt für den „Zeitgeist“ (frei nach Georg Friedrich Hegel), indem er die lyrische Kraft der Goetheschen Elaborate als ideales Vehikel für seine expressive Tonsprache erkannte.

Franz Schubert hat oft ein und dasselbe Gedicht in mehreren Versionen vertont. Allein von Goethes „Gesang der Geister über den Wassern“ gibt es fünf Fassungen. Das wohl Einzigartige an seinem Liedwerk besteht aus dem Umstand, daß sich in ihm der gesamte Kosmos von Empfindungen findet.
Zwar wird in den konventionellen Biographien über Franz Schubert immer wieder seine künstlerische Erfolglosigkeit betont – in den quasi kanonisierten Darstellungen gilt er als von der Öffentlichkeit negiert und nach außen hin eher zurückhaltend, ja introvertiert –, aber immerhin wurde er von einem kleinen Freundeskreis als genialer Komponist erkannt und gefeiert, unter ihnen beispielsweise der Dichter Franz Grillparzer. Zu überregionaler Bekanntheit verhalf ihm der zu seiner Zeit berühmte Bariton Johann Michael Vogl, ebenfalls ein Mitglied des Freundeskreises. Er sorgte als Interpret für die Verbreitung von Schuberts Liedern.

Gegen Ende seines Lebens begannen sich auch die Verleger für die Werke des Wiener Komponisten zu interessieren. Musikhistoriker konnten belegen, daß mindestens 100 seiner Werke zu seinen Lebzeiten im Druck veröffentlicht wurden – gemessen an der Zahl von etwa 600 Liedern, die er insgesamt geschrieben hat, ist das nur ein kleiner Anteil, jedoch mehr, als viele seiner Musiker-Zeitgenossen publizierten.

Nach wie vor und insbesondere in seinem Heimatland hat Schuberts Musik auch noch mit anderen hartnäckigen Vorurteilen zu kämpfen. Eines davon lautet: Schubert folge Beethoven, ohne ihn zu erreichen. Der große Pianist Alfred Brendel schreibt dazu: „Er muß die Verschiedenheit ihrer musikalischen Naturen gespürt haben. Im Vergleich zu Beethoven, dem Architekten, komponierte Schubert wie ein Schlafwandler. In Beethovens Sonaten verlieren wir nie die Orientierung; sie rechtfertigen sich selbst in jedem Augenblick. Schuberts Sonaten ereignen sich auf eine rätselhaftere Weise; um es österreichischer zu sagen: sie passieren. Es ist etwas entwaffnend Naives in diesen Stücken, und damit meine ich nichts Primitives oder gar Dilettantisches. Naivität und Verfeinerung sind in dieser Musik so verschwistert wie nur noch in jener Haydns. Ich möchte auch davor warnen, Naivität mit Einfachheit zu verwechseln: Schuberts Musik ist oft alles andere als einfach. [...]“

Langsam erst gewinnt in der Rezeption der Schubertschen Werke die Einsicht Oberhand, daß mitunter das Intuitive, Mäandernde in Schuberts Schaffen nicht nur gleichberechtigt neben der strengen kompositorischen Architektur anderer Meister stehen, sondern durchaus ein Wegweiser in die Zukunft sein kann. Dem fantasierenden, assoziativen Denken, das offener für den Zufall ist, so könnte man sagen, steht auch die Welt offener gegenüber.

Nach wie vor unübertroffen in ihrer Genauigkeit und in ihrem eigenartig verschämten Tonfall ist jene luzide Äußerung Theodor W. Adornos über Franz Schubert: „Die Sprache dieses Schubert ist Dialekt: aber es ist ein Dialekt ohne Erde. Er hat die Konkretion der Heimat; aber es ist keine Heimat hier, sondern eine erinnerte. Nirgends ist Schubert der Erde ferner, als wo er sie zitiert.

In den Bildern des Todes eröffnet sie sich: im Gesicht der nächsten Nähe aber hebt Natur sich selber auf. Darum führt von Schubert kein Weg zur Genre- und Schollenkunst, sondern bloß einer in die tiefste Deprivation und einer in die kaum nur angesprochene Realität befreiter Musik des veränderten Menschen.

In unregelmäßigen Zügen, einem Seismographen gleich, hat Schuberts Musik die Botschaft von der qualitativen Veränderung des Menschen notiert. Ihr antwortet zu Recht das Weinen: Weinen der ärmsten Sentimentalität im Dreimäderlhaus, nicht anders als das Weinen aus erschüttertem Leib. Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen: so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen, warum; weil wir so noch nicht sind, wie jene Musik es verspricht, und im unbenannten Glück, daß sie nur so zu sein braucht, dessen uns zu versichern, daß wir einmal so sein werden. Wir können sie nicht lesen; aber dem schwindenden, überfluteten Auge hält sie vor die Chiffren der endlichen Versöhnung.“

Mozarts Liedschaffen spielt in seinem Werk nur eine marginale Rolle, am bekanntesten dürfte sein „Komm lieber Mai und mache...“ KV 596 sein, dessen eigentlicher Titel übrigens „Die Sehnsucht nach dem Frühling“ lautet.

Seine ersten Liedkompositionen stammen aus seiner Knabenzeit, doch ist die Mehrzahl der knapp dreißig Lieder erst in den Wiener Jahren entstanden. Sie wurden vorwiegend für seinen Freundeskreis oder für die Veröffentlichung in Almanachen und Liedersammlungen geschrieben. Die Texte sind ein buntes Sammelsurium und reichen von sentimentalen Versen aus seinerzeit beliebten Romanen über aufklärerische zeitgenössische Poesien bis hin zu patriotischen Liedern, die auf aktuelle politische Ereignisse, vor allem die Türkenkriege, Bezug nehmen. In den späteren Liedern entfernt sich auch Mozart vom vorherrschenden Strophenlied und schafft mit Liedern wie „Der Zauberer“ (KV 472) galante kleine Köstlichkeiten.

Bald nach Mozarts Tod wurden viele Lieder unter seinem Namen veröffentlicht, von denen allerdings ein beträchtlicher Teil von anderen, weniger populären Zeitgenossen stammte. Beispielsweise wurde „Schlafe, mein Prinzchen, schlafe ein“, ein Lied von Bernhard Flies, geboren ca. 1770, Todesjahr unbekannt, etwa hundert Jahre lang Mozart zugeschrieben. Flies schrieb es 1796, der Text stammt aus Friedrich Wilhelm Gotters Schauspiel „Esther“ (Leipzig 1795).

Die Melodie des oben erwähnten berühmten „Komm lieber Mai und mache...“ entlehnte Mozart seinem Klavierkonzert KV 595, letzter Satz – und nicht umgekehrt, wie man lange Zeit annahm.

Eine erste kritische, fast fehlerfreie Ausgabe der von ihm selbst komponierten Lieder erschien 1800 im Rahmen der sogenannten „Œuvres complettes“ in Leipzig.
(Daniel Rab-Sai)
Released 2007.
Price: 16,90 EUR